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Kamelot - "Haven" - über Biogenetik, Imperialismus und klassische Musik - Teil 2 - Interview Kamelot - Oliver Palotei

metaltalks.de: Oliver, habt ihr schon erste Reaktionen auf euer neustes Album "Haven" bekommen?

Oliver: Ja, das ging diesmal sehr schnell, und gottseidank sind diese sehr positiv. Ich bin sehr froh darüber - die erste Anspannung ist somit vorüber. Wir haben von einigen Musikjournalisten sogar persönliche Nachrichten bekommen.

metaltalks.de: Eure Kompositionen sind erwartungsgemäß komplex und gehen nicht sofort ins Blut. Unsere Lisa sieht das zwar nicht so, aber sie hört die Musik auch etwas anders - eher gesangsbezogen. Sie ist laut ihren Aussagen sofort im Haven (Zufluchtsort) angekommen. Viele Dinge entdeckt man jedoch erst, wenn man sich mit den Songs detaillierter beschäftigt und die Hintergründe kennt.

Oliver: Sehe ich genauso. Wir schreiben unsere Musik auch nicht so, dass die Leute direkt an die Band herangeführt werden. Für unsere Musik muss man sich Zeit nehmen und sie, wenn möglich, unter Kopfhörern genießen. Viele unserer Fans tun das zum Glück. Auf der Bonus CD von "Haven" kann man Orchestrationen und instrumentale Versionen der Songs hören. Hier bekommt man einen Eindruck von dem, was sich alles so im Hintergrund abspielt. Diese Komplexität kann man auf der regulären CD kaum erfassen.

metaltalks.de: Uns ist aufgefallen, dass sich Tommy perfekt in die Musik einbindet. Er macht das so grandios, wie es damals Roy Khan umgesetzt hat. Habt ihr auf der Suche nach einem neuen Sänger direkt darauf geachtet?

Oliver: Es ist schon eine komische Sache. Ich bin ein pragmatischer Mensch, zumindest wenn es um Musik geht und versuche daher von den ganzen metaphysischen Erklärungen wegzubleiben. Thomas ist genauso. Woran wir aber glauben, ist der etwas diffuse Begriff Karma. Wir hatten wahnsinnig viele Bewerbungen, woraufhin wir uns über 200 Sänger anhörten. Einige von ihnen klangen sehr interessant, aber Thomas und ich hatten das Gefühl, es ist dann nicht mehr Kamelot. Und dann kam Tommy - klar kling er teilweise sehr ähnlich, aber ich glaube nicht, dass es das war, was uns damals überzeugt hatte. Wir haben definitiv nicht nach dem Sänger gesucht, der Roy möglichst ähnlich ist.

metaltalks.de: Es hätte also auch tatsächlich ein anderer Sänger sein können?

Oliver: Ja natürlich, als guter Songwriter passt du dich letztendlich ja auch dem Sänger an und nicht umgekehrt.

metaltalks.de: Habt ihr noch Kontakt zu Roy? Oliver antwortete sehr ruhig, leise und ausgeglichen. Sehr angenehm, wie er das Thema behandelt, unglaublich.

Oliver: Naja, das war auch keine so glückliche Trennung. Wir sprechen da nicht groß drüber. Es war kurz vor einer ausgiebigen US-Tour. Ihr müsst euch mal vorstellen, was das für die Beteiligten damals bedeutete. Für die Crews, Promoter, die Fans und auch die Support-Bands, die zum Teil schon in Amerika waren - kurze Denkpause - nein, wir haben keinen Kontakt mehr.

metaltalks.de: Ok, belassen wir es dabei und widmen uns lieber der Zukunft. "Haven" ist kein Konzeptalbum der Marke "The Black Halo". Wie würdest Du Haven trotzdem zusammenfassend beschreiben?

Kamelot - Thomas & Oliver kurz nach dem Interview über den Dächern von Berlin

Kamelot - Thomas & Oliver kurz nach dem Interview über den Dächern von Berlin

Oliver: Wir befinden uns gerade in einer sehr merkwürdigen Phase der Geschichte der Menschheit. Wahrscheinlich sagt das jede Generation über sich. Ich glaube aber, wir sind aktuell an einem ganz kritischen Scheidepunkt. Die digitale Revolution fängt jetzt erst richtig an. Ich denke da an Biogenetik, virtuelle Realität und künstliche Intelligenz. Auf der anderen Seite kehrt der alte Imperialismus zurück (China, Russland, Türkei etc.) und barbarische Vollidioten, die unter dem Deckmantel der Religion agieren, fügen anderen unsagbares Leid zu. Wenn man das auf die kommenden 20-30 Jahre herunterbricht, dann kann man sich vorstellen, was in Zukunft auf der Welt abgeht. Dieses Gefühl findest du auch auf "Haven" wieder. Haven ist für mich ein Ort, an den man sich immer wieder gern zurückziehen möchte, um sich von dem, was uns in der heutigen Zeit umgibt, zu distanzieren. Oftmals gelingt es aber nicht. Du findest aber auch immer wieder Lichtblicke auf der CD, wie zum Beispiel in dem Song "Under Grey Skies", der schon etwas positiver wirkt. "Haven" ist aber immer etwas bedroht - von außen - was man auch auf dem Cover sehr gut sehen kann. Die rote Farbe unterstützt bzw. reflektiert das auch sehr schön. Sie schleicht sich sozusagen heimlich rein.

metaltalks.de: Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, mit Kamelot in Richtung 3D oder virtuelle Welt zugehen? Vielleicht auf dem nächsten Album?

Oliver: Naja, solange das Thema noch nicht ausgereift ist, ist das nichts für uns. Es gibt so viele Computerspiele und Filme, die nicht wirklich gut sind, dass ich Angst habe, wir schaden damit eher unserem Image, als das wir damit weiter kommen. Wenn man bedenkt, welcher Aufwand hinter einem 3D Film steckt oder einem guten Spiel, dann weiß man, wovon ich rede. Interessant ist das schon, aber vielleicht noch nicht jetzt.

metaltalks.de: Du bist auch Musiklehrer - bekommst Du all deine Wirkungsfelder noch unter einen Hut?

Oliver: Ich müsste eigentlich nicht mehr unterrichten. Ich habe aber ein paar sehr talentierte Schüler, und diese rauszuwerfen, wäre für beide Seiten ganz schlimm, darum unterrichte ich auch noch. Dieses Jahr stehen 3 Monate Tournee auf dem Programm, aber meine Schüler sind sehr flexibel. Ich gebe ihnen dann immer ganz viel Hausaufgaben auf (lacht) und wenn ich zurück bin, dann machen wir weiter.

metaltalks.de: Unterrichtest Du klassische Musik?

Oliver: Ich fahre zweigleisig. Barock bis Neuzeit,  Improvisation und Komposition - es ist alles dabei. So, wie die Komponisten früher gelernt haben, versuche ich zu unterrichten. Bach und Mozart konnten sehr gut improvisieren. Später ging das verloren, gerade als die klassische Musik so sehr institutionalisiert wurde. Ich gehe da mehr back to the roots.

metaltalks.de: Ein schönes Schlusswort, das uns auch klarmacht, welchen Background die Kompositionen von Kamelot besitzen. Oliver, danke für das nette Gespräch. Wir wünschen Euch viel Erfolg auf der anstehen Tour und selbstverständlich auch mit dem neuen Album "Haven".

Oliver: Danke auch.

Interview: Lisa & Dirk




Bilder Band: Napalm Records / Bild Oliver und Thomas in Berlin: metaltalks.de

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