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Obscura - Interview mit Steffen Kummerer - zum neuen Album "Akróasis"


In unserer Vorschau auf des neue Obscura-Album "Akróasis" haben wir bereits am 6. Januar eine tendenzielle Wertung abgegeben. Der Fokus liegt auf Qualität, ohne dabei an Energie und musikalischer Brutalität zu verlieren. In 4 Tagen ist es soweit, denn dann werden Obscura nach 5 Jahren endlich ihr neues Studio Album veröffentlichten. Wir nutzten die Chance, um der Band im Vorfeld ein paar Fragen zu stellen. Steffen Kummerer, Sänger und Gitarrist der Band, stand uns via Telefon Rede und Antwort. So und nun aufgemerkt, was nun folgt hat uns schlicht weg begeistert und während des Abtippens fast an den Rand des Wahnsinns - im positiven Sinne - gebracht.

metaltalks.de: Steffen, warum um alles in der Welt hat es diesmal 5 Jahre gedauert, bis es endlich neues Studiomaterial von Obscura gab?

Steffen: Diese Frage ist nicht unbedingt leicht zu beantworten. Die letzte Platte haben wir im März 2011 veröffentlicht. Danach sind wir einfach mal 2-3 Jahre auf Tournee gewesen. Wir waren fast auf dem ganzen Planeten unterwegs und haben mehr getourt als jemals zu vor. Das hinterlässt natürlich seine Spuren. Man muss bedenken, dass es nicht möglich war nur von Obscura zu leben. Dieses Problem haben natürlich viele Musiker. Hinzu kommt die Doppelbelastung mit der Arbeit bzw. mit dem Studium. Das alles hat dazu geführt, dass wir nicht großartig zum Songwriting gekommen sind. Das gleiche Prozedere haben wir schon mit dem Vorgängeralbum Cosmogenesis (2009) hinter uns gebracht. VÖ, Tournee etc. und hinterher war die Band wie ausgebrannt, hatte ich zumindest das Gefühl. Die Luft war raus, wenn man das so sagen möchte. Wir sind dann erst einmal unserer Wege gegangen, ich habe meinen Uni-Abschluss fertig gemacht, die Kollegen haben Soloalben aufgenommen und genau in der Zeit kam dann das Angebot für Death-DTA zu spielen. Das bedurfte auch einer vernünftigen Vorbereitung, um ein paar Tourneen mitzunehmen. Als wir dann endlich 2014 wieder angefangen haben gemeinsam ein paar Songs zu schreiben, konnten wir einfach keinen gemeinsamen Nenner mehr finden. Die Ansichten gingen auseinander, zumindest in welche Richtung es musikalisch geht und wie es mit dem Touren weitergeht. Was ebenfalls eine Rolle spielte, war die Tatsache, dass unser ehemaliger Gitarrist Christian Münzner gesundheitliche Probleme mit der Greifhand bekam. (gehen wir später näher darauf ein - Anm. Redaktion) Hinzu kammen musikalische Differenzen mit unserem Drummer. Wir haben uns dann zusammen gesetzt, die Dinge besprochen, alles sacken lassen, nochmals abgewogen und sind letztlich zu dem Entschluss gekommen, dass es besser sei, wenn sich unsere Wege trennten. Das Alles führte letztlich zu eine Zeitspanne von 5 Jahren. Es gibt also nicht nur einen Grund.

metaltalks.de: Puh, es hat also alles positiv begonnen und führte letztlich fast zu Auflösung der Band, oder?

Steffen: Nein, eine Auflösung stand nie zur Debatte. Es gab zwar immer mal Wechsel im Lineup, ja, doch die Band gibt es nunmehr 14 Jahre. Seit 2007 bin ich das einzige verbliebene Urmitglied von Obscura. Es ist schon bitter, wenn Freunde irgendwann nicht mehr mitspielen, aber mein Gott, es gibt wohl keine Band, die nicht irgendwann mal Probleme mit dem Lineup hatte. Letztlich kommt es darauf an, wie man damit umgeht und ich denke, wir haben das sehr gut gelöst, es intern belassen, jeder geht seiner Wege, macht Musik - also ist alles gut. 

metaltalks.de: Ok, dann steht jetzt das Fundament für die Fragen zum neuen Album. Mit welchen Vorstellungen geht ihr denn an neues Material heran. Geht es darum, so kompliziert wie möglich zu spielen und später ein Song daraus zu machen oder greift ihr Themen auf und frickelt sie später zu Boden?

Steffen: (Lacht erst einmal herzlich) Das ist unterschiedlich, Akroasis entstand ganz anders als die vorherigen Platten. Früher haben wir mit einer simplen Notation-Software unsere Musik geschrieben. Weil wir einfach nicht in einer Stadt wohnten und somit auch nicht regelmäßig probten, nutzen wir dieses Tool, um uns die Ideen hin und herzuschieben. Das ging immer solange gut, bis wir im Studio richtige Instrumente nutzten und feststellten, dass alles etwas zu konstruiert klang. Manche Sachen waren noch nicht einmal umsetzbar, sodass wir sie neu arrangieren mussten. Das war zwar nicht schlimm, aber es waren die ersten Fingerzeige, wenn man es so will. Was wir jetzt mit der neuen Platte gemacht haben, ist Folgendes: wir sind 10 Jahre zurückgegangen und haben Demos aufgenommen. Jeder saß für sich zu Hause und hat ganz klassisch seine Ideen in Cubase aufgenommen - erst später haben wir alles ausnotiert. Wir haben quasi die Dinge aus beiden Welten rausgezogen. Zum einen wurden die Songs ganz natürlich gespielt und zwar von einem Menschen, zum anderen haben wir die Songs theoretisch ausnotiert und beides dann in die Runde gegeben. Danach haben wir die Songs fertig arrangiert und ausgebaut. Der Aufbau der Songs ist in jedem Falle ganz normal, so wie  jede Rock- oder Metal Band auch herangehen würde. Die ursprüngliche Demoversionen von "Akróasis" waren wesentlich komplexer. Wir haben alles etwas kompakter gehalten und nicht künstlich aufgebläht. Allein die Tatsache, dass wir alles mit richtigen Instrumenten vorproduziert haben, hat uns weitergeholfen den Überblick bei den Arrangements zu behalten. So, und ob es letztlich technisch überragend oder einfach ist, das ist mir schlichtweg egal, Hauptsache der Song ist gut. 

metaltalks.de: Dann steckt  Euch der technische Aspekt wohl doch im Blut. Es ist aufgrund des Musikstiles nicht immer leicht das Textgut zu entschlüsseln. Würdest Du unseren Lesern verraten, womit ihr Euch auf "Akróasis" rein Thematisch beschäftigt habt? Song-Titel und Cover verraten ja schon ein wenig, dass es sich um überirdische und weltlich religiöse Themen handelt, die ihren Ursprung während der Schöpfung fanden, vermuten wir zumindest. 

Steffen: "Akróasis" selber, also die Platte, ist Teil eines 4-Aben-Konzepts. "Akróasis" ist Nummer 3 davon: Cosmogenesis -2009, Omnivium -2011, Akróasis und Album 4 gehen wir wahrscheinlich dieses Jahr langsam an. Das Ganze stellt so eine Art Lebenszyklus dar. Es spiegelt sich sogar in den Artworks und Farben der Cover wieder. Cosmogenesis behandelt mehr die Existenz und den Ursprung, daher auch die kalte, blaue Farbe. Omnivium beschäftigt sich eher mit der Evolution - aus verschiedenen Ansichten - und Akróasis thematisiert das Bewusstsein, während Album vier - es handelt sich ja schließlich um ein Metal-Konzept - die totale Apokalypse, das implodieren des Universums und des Kosmos abhandelt. Bei allen Alben gibt es verschieden Verbindungen, die das Textkonzept zusammenhalten. Es sind drei Identitäten. 1.: Der ganze Astrophysische Überbau, ebenfalls gut auf den Covern bzw. der Visuellen Kunst zu sehen. 2.: Der philosophische Ansatz und auf dem dritten Level immer die Religion. Das alles verbinden wir miteinander. Auf Akróasis im Speziellen geht es darum, dass sich der Zyklus selber als dessen bewusst wird. Das wiederum fußt auf einem Buch von Hans Kaiser, einem alten Schweizer Professor, der vor ein paar Jahrzehnten verstarb. Er hat sich sehr lange mit dem pythagoräischen Gedanken einer Harmonie geordneten Welt auseinandergesetzt. Das fanden wir recht interessant. 

metaltalks.de: Darf ich Dich kurz unterbrechen? Bitte, mit welchem Gedanken hat sich Hans Kaiser beschäftigt? 

Steffen: Ja klar, Pythagoras! Der Gedanke ist schon sehr alt. Man sagt auch im Englischen Harmony Of The World dazu und selbst die Arbeit von Göthe und Schiller basiert darauf. Wir haben das Konzept in die letzen 2 Alben sehr stark eingebunden und versuchen das Ganze mit dem Thema Religion zu vermengen und zwar aus verschiedenen religiösen Sichtweisen - Album für Album - Song für Song. In dieser Dimension haben wir quasi eine komplette Geschichte erzählt, die Fragen aufwirft aber auch Antworten geben soll. 

metaltalks.de: Steffen, jetzt bin ich aber baff. Das ist starker Tobak! Wie ich es schon vermutet habe, hat nicht nur die Musik Niveau, sondern auch der textliche Inhalt. Wenn Du jeden Song kurz ansprechen würdest, wäre das wunderbar. (jetzt geht es richtig los -Anm. Red.)



Steffen: Gut, dass Du das anspricht. Ich habe versucht, auch mit den Lyrics und dem damit verbundenen Gesang dem Anspruch der Musik gerecht zu werden. Es gibt ganze viele Metal Bands, die schreiben wahnsinnig durchgecheckte und ausgecheckte Musik und dann schreit aber nur irgendjemand drüber. Ich fand es irgendwie wichtig, dass die Themen nicht nur über Biersaufen und Massenmörder-Geschichten handeln und sich auch der Gesang dem Niveau der Musik nähert. Wenn ich auf jeden einzelnen Song eingehen soll, fange ich aber mal mit "The Monist" (2) an.

Dieser Bewusstseinsfindung des kompletten Zyklus' habe ich einen Namen gegeben und zwar "The Monist". Der Titel ist abgeleitet von dem Monismus - das Gegenteil vom Dualismus. Im christlichen Glauben gibt es immer Himmel und Hölle, Gott und Satan, Licht und das Dunkel. Die Idee des Monisten ist, alles in einem zu sein. Ein guter und gleichzeitig böser Gott, der sich zusätzlich bewusst wird, dass er in einer Endlosschleife hängt. Diese Endlosschleife ist: Perpetual Infinity (7). In "Ten Sepiroth" zum Beispiel, habe ich die ganzen Ideen aus verschiedenen Weltreligionen einfach umgedreht und die komplette Geschichte in diesem invertierten Gedanken aufgeschrieben. Um das auf den astrophysischen Part runterzubrechen, habe ich eine These von einem Münchener Astrophysiker aufgegriffen (Günter Hasinger), der ein recht interessantes Buch über das Schicksal des Universums schrieb. Er erläuterte verschiedene Thesen, auch wenn er nicht jede vertritt. Eine blieb mir besonders im Ohr: Die Idee, dass der Großteil der Masse unseres Kosmos' aus dunkler Materie besteht. Somit wäre der Status Quo...Dunkel=das Sein=gut und das Licht ist folglich der Eindringling - wenn man es so will - das Böse, die Minderheit.

Ich habe versucht das Ganze in einem religiösen Kontext zu sehen. Wenn man es so sieht, ist "Ode To The Sun" (genialer Song - Anm. Red.) dann eine Huldigung des Todes. Im Prinzip ist das invertierte Religiosität und wenn mann dann noch einen Schritt weitergeht, sind wir beim antikosmischen Satanismus angekommen. Und "antikosmisch" haben wir in dem Sinne mit "Anticosmic Overload" schon 2009 behandelt. Es hängt alles irgendwo auf verschiedenen Ebenen zusammen. Um jetzt wieder auf die Songs des Albums zurückzukommen, ist Ode To The Sun, also die Huldigung des Todes und Sermon Of The Seven Suns ist aus der Sicht des Buddhistischen Glaubens, die Apokalypse durch die sieben Sonnen, die nach Jahrtausenden aufzieht, um den Planeten und die Existenz zu zerstören, womit wir wieder beim Eindringling als Licht angekommen wären.

Der Monist ist sich dessen komplett bewusst, auch dass er nicht aus seinem Status Quo heraus kann und zwar innerhalb der unendlichen Unendlichkeit. ("Perpetual Infinity") Dieses Wesen oder diese Identität hat auch seine eigen Regeln, jene wiederum im Song "Weltseele" behandelt werden, der auf einem Gedicht von Goethe fußt. Das fand  ich sehr interessant. Ich habe wirklich versucht jeden Song mit einem anderen zusammenzuhängen sowie mit den vorherigen Alben zu verknüpfen. Egal ob Du Physiker bist oder religiös veranlagt bist, als Poet oder Philosoph verschiedene Ansichten vertrittst, am Schluss geht alles zu Grunde - sterben muss jeder. Womit wir beim Vorgriff auf die vierte Platte angekommen sind, auf der thematisch der komplette Kosmos implodiert. 

metaltalks.de: Grundgütiger! Das muss man erst einmal verarbeiten. Mal sehen, ob der Interview-Text das wiedergibt. Wir geben uns Mühe, versprochen! Themensprung! Die orchestralen Elemente auf "Akróasis" klingen sehr realistisch. Sind das echte Aufnahmen der Instrumente oder sehr gute Samples?

Steffen: Auf der Platte ist alles echt. Keine digitalen Spielereien. Wir haben analog aufgenommen und auch die Streicher sind echt. Wir haben über den Vater unseres Bassisten, der u.a. mit den Bayreuther Festspielen sein Tun hat, Kontakt zu den Berliner Symphonikern bekommen, von denen wir einige Musiker angeheuert haben, die uns das Material in einem Berliner Studio einspielten. 

metaltalks.de: Ihr habt rein analog aufgenommen?

Steffen: Keine Bandmaschine! Wir haben mit unserem Live-Equipment und echten Amps aufgenommen und sind erst dann in den digitalen Bereich. Uns war es sehr wichtig, genau mit den Instrumenten aufzunehmen, mit denen wir auch live spielen. Bis auf ein superteures Neumann-Mic werden wir auch diesmal alles wieder bei unseren Konzerten verwenden. 

metaltalks.de: Anderes Thema: Ihr seid 2013 und 2015 mit Death DTA live unterwegs gewesen. Mal abgesehen davon, dass ihr oder Du vermutlich auch schon früher Death gehört habt, wird man rein kompositorisch nach so einer Tour nicht wahnsinnig beeinflusst?

Steffen: Nein. Nicht mehr und nicht weniger als vorher. Death oder Chuck Schuldiner waren mit der Grund, warum ich überhaupt eine Gitarre angefasst habe. Das war schon immer einer der Haupteinflüsse und das hat man auf den ersten Alben noch viel deutlicher gespürt als jetzt. 

metaltalks.de: War es für Dich ein Problem das Material von Chuck live zu spielen?

Steffen: Naja, es gibt ein paar wirklich ausgefuxte Parts, aber das betrifft eher das Zusammenspiel. Für damaliger Verhältnisse war das sehr technisch und unglaublich anspruchsvoll, aber sieh Dir heute die jungen Tech Death Bands an, die das Material sogar auf 320 bpm runterdudeln. Ich glaube, es st das Zusammenspiel. Das muss in Stein gemeißelt sein, sonnst funktioniert die ganze Musik nicht. Das ist das Wichtigste. Death haben früher viele Parts ihrer Alben live aufgenommen und das hört man auch, wobei es auch meine Sicht auf die heutigen, technischen Möglichkeiten veränderte. Als Band zu funktionieren und nicht nur am Rechner konstruierte Sachen nachzuspielen, hat mir die Augen geöffnet. Sich da reinzufuxen und das Interplay mit der gesamten Band zu lernen, war die größte Herausforderung für mich. 

metaltalks.de: Hast Du Death früher selbst live erleben können? Steffen: Leider, leider nicht. Viele andere, aber Chuck leider nicht.

metaltalks.de: Ist für Dich ein Traum in Erfüllung gegangen, als Du mit alten Helden während der Death Tour auf einer Bühne gestanden hast?

Steffen: Es ist schon ein absolutes Highlight mit Musikern auf einer Bühne zu stehen, wegen denen man u.a. überhaupt angefangen hat Musik zu machen. Ja, das war schon ergreifend.

metaltalks.de: Wie geht es Christian Münzner derzeitig? Er musste die Band ja verlassen, weil er aufgrund einer Fokalen Dystonie an der Greifhand nicht mehr Gitarre spielen konnte. Es muss extrem bitter für ihn gewesen sein. 

Steffen. Es geht ihm inzwischen schon viel besser. Steffen spielt sogar wieder in einer Band. Er hat ein paar Therapien ausprobiert. Momentan bekommt er alle 4-5 Monate eine Art Botox-Injektion. Das klingt ziemlich schräg aber scheint zu helfen und damit kann er dann wieder relativ gut spielen. Da es ein neurologisches Problem ist, spielt natürlich auch Stress eine Rolle, aber für Online-Lessons oder Gitarrenunterricht ist das ok. Richtige Tourneen kann und will er auch nicht mehr spielen. Das ist wirklich etwas Anderes als im Studio Dinge einzuspielen. Laut eigenen Aussagen kann er fast alles das wieder, was er früher einmal konnte. Er hat auf alle Fälle auch wieder den Spaß an der Musik gefunden und das ist das Wichtigste.

metaltalks.de: Schön zu hören! Gleichzeitig ist das auch ein super Schlusswort. So, das war echt viel Information und super aufschlussreich. Wir freuen uns wirklich, das neue Album von einer anderen Seite kennengelernt zu haben, auch wenn aufgrund dieses langen Interviews das Album-Review und dieses Gespräch ein paar Tage später online gehen.

Vielen Dank, Steffen und viel Erfolg mit "Akróasis".

Steffen: JA, danke auch und bis bald!

Interview: Dirk



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